Freundeskreis Jüdisches Leben in Waldshut-Tiengen - Mitglied der Bürgerzunft 1503 Tiengen e.V.
Jüdisches Leben in Waldshut-Tiengen

Geschichte der Juden in Waldshut-Tiengen

von 1933 bis 1937

01.01.1933 In Tiengen wohnen noch 46 jüdische Mitbürger/innen. 30.01.1933 Machtübernahme der Nationalsozialisten Adolf Hitler wird zum Reichskanzler ernannt. 30.01.1933 Erlass des Reichsermächtigungsgesetzes, wodurch der Reichstag als Gesetzgeber ausgeschaltet wird. Damit beginnt die Diktatur der Nationalsozialisten in Deutschland. 01.04.1933 Boykottaufruf gegen jüdische Geschäfte Dies ist der Beginn des staatlich organisierten Terrors gegen die Juden. Landesweit versammeln sich vor den jüdischen Geschäften SA-Leute in Uniform, teils bewaffnet. Sie beschmieren und bekleben die Schaufenster mit antisemitischen Parolen und schrecken die Kunden ab. Auch in Tiengen bezieht die SA Stellung am Marienbrunnen und vor dem Haus von Alfred Levi. Als Hermann Bernheim, Geschäftsmann und Vorsteher der jüdischen Gemeinde, den Blickkontakt des SA-Postens am Marienbrunnen unerschrocken erwidert, fühlt sich dieser provoziert. Die Reaktion erfolgt schnell: Bernheim wird in einen „Saugatter“ (Holzkäfig zum Transport von Schweinen) gesperrt, auf einen Leiterwagen geladen und unter Schmähungen die Hauptstraße hoch und runter gefahren. Mai 1933 Der neunjährige Ernst Meier wird als Jude vom Schulausflug seiner Klasse ausgeschlossen. Auf Anordnung des Lehrers, einem strammen Parteigenossen, wird er von den Klassekameraden über den Schulhof gehetzt und verprügelt. Der Schulleiter wiegelt die Beschwerde des Vaters Moritz Meier ab: Bei einem Parteimitglied seien ihm die Hände gebunden. 31.07.1933 Der Landwirt und Viehhändler Moritz Meier emigriert mit seiner Familie über die Schweiz nach Frankreich. In einem Brief an das Bürgermeisteramt begründet er diesen Schritt: ……“Durch die eingetretenen politischen Verhältnisse ist es mir unmöglich gemacht, weiter ein vollberechtigter deutscher Staatsbürger zu sein. Andersgläubige Kinder spielen nicht mehr mit den unseren … Wirtschaftlich finde ich trotz aller Anstrengung und Arbeitsmühe kein Auskommen mehr… Das Verbot, die Milch an meine Kundschaft zu verkaufen, hat meine Existenz vollkommen erschüttert. Geschäftlich erdrückt und seelisch gepeinigt habe ich mich schweren Herzens entschlossen, vorläufig aus Tiengen weg zu ziehen.“ 1935 Der fanatische Nationalsozialist Wilhelm Gutmann wird Bürgermeister von Tiengen. Er erlässt eine extrem judenfeindliche „Ortssatzung“, die von der übergeordneten Behörde, dem Bezirksamt Waldshut, als zu weit gehend wieder aufgehoben wird. An den Ortseingängen läßt er antisemitische Schilder aufstellen. Am 15. September 1935 werden die „Gesetze zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ erlassen, auch „Nürnberger Rassengesetze“ genannt. Diese verbieten u.a. Partnerschaften zwischen Juden und „Ariern“. Damit wird die Rassenideologie und der Antisemitismus der Nationalsozialisten gesetzlich legitimiert. In Tiengen wird Alfred Schwartz inhaftiert, wegen einer Beziehung zu einem „deutschen Mädchen“. Nach seiner Freilassung emigriert er nach Südafrika. 1936 In Tiengen wohnen noch 27 jüdische Mitbürger/innen.
Bild: Bundesarchiv, Bild 102-14468 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0
Bild: Klettgaumuseum, Jüdisches Zimmer
Judenfeindliches Schild am Ortseingang von Tiengen
SA-Männer bekleben ein Schaufenster mit antisemitischen Schmähparolen
Bild: Staatsarchiv Stuttgart
Handzettel einer Initiative für einen „juden- freien Viehmarkt“, mit Schmähkarrikatur gegen die Viehhändler Alfred Levi (Tiengen) und Levi Bloch (Waldshut).
Bild: Staatsarchiv Stuttgart